gestern: Steinbildhauerin, ( + Künstlerin) …heute: Upcycling-Designerin
Hier möchte ich meinen Weg vom Handwerk über die Kunst zum Upcycling-Design beschreiben.
Es sind nicht nur berufliche Stationen, sondern auch sehr verschiedene geographische. Ich spoilere jetzt mal: Hamburg, Hawai’i, Dresden, Torino, Cordoba, Barcelona, Berlin.
Keine Angst vor einem unendlichen Text, die hatte ich am Beginn des Schreibens selbst auch. Ich war und bin gespannt zu welchen weiteren Tauchgängen in meinem bisherigen Lebensweg mich dieser Blogartikel noch anregt. Es ist der Start einer Serie von Beiträgen, die ich zum Thema Upcycling-Design schreiben möchte.
Zu diesem Blog-Thema hatte Judith Peters (eine Blog-Expertin) aka Sympatexter angeregt, vielen Dank dafür!
Nun soll es aber endlich mal losgehen:
- Hamburg: schon früh ging es bei mir um Nachhaltigkeit. In meiner Familie gab es einen großen Geist für Umweltbewusstsein, Liebe zur Natur und zum Handarbeiten. Mein Vater war der erste „Guerilla-Gardener“ den ich kenne. Als Jugendliche in den 1990er Jahren ging ich auf Umweltdemos.
- Schülerpraktikum in der Segelmacherei. Als Seglerin wollte ich unbedingt wissen wie Segel gemacht werden, also heuerte ich als Schülerpraktikantin in einer Segelmacherei an. Der frühe Arbeitsbeginn ( 7:30 Uhr) haben es mir als Morgenmuffel nicht so angetan, aber die Arbeit an den großen Nähmaschinen begeisterte mich vom ersten Tag an. In der gleichen Firma wurden auch Zirkuszelte gefertigt, wow, das war beeindruckend für so’ne lütte Deern! …und erst die dazugehörende Kundschaft.
- 1993 : „the greenhouse effect“ im Englisch-Abi. Das interessierte mich sehr, da lohnte es sich doch sich im Unterricht etwas anzustrengen? Naja,… im Sprachenunterricht in der Schule hatte ich nicht sehr viele Erfolge zu verzeichnen. Erst später, im „richtigen Leben“.
- Hawai’i: Reichtum und Konsum machen nicht glücklich(er). Als Aupair auf Kauai in Hawaii, USA erlebte ich ein Jahr lang hautnah, daß man sich mit (viel) Geld ein sehr schönes Leben an einem wundervollen Ort machen kann, daß es aber nicht unbedingt glücklicher macht. Denn es geht um mehr. Ich hatte jedenfalls eine gute Zeit und seitdem ist kein Ort der Welt zu weit weg. …wenn nur das Fliegen nicht wär!
- Studium? Zurück in Deutschland wollte ich Bildhauerin werden, Künstlerin! Eine echte Enttäuschung: keine meiner auserwählten Kunstakademien ließ mich rein. Also entschied ich mich erst einmal für’s Handwerk. In Dresden (huu, der wilde Osten… recht kurz nach der Wende!…aufregend!) machte ich eine Steinmetz- und Steinbildhauerausbildung. Das war total mein Ding, mit Anfang 20, in einer fremden Stadt, handwerklich und kreativ zu arbeiten. Zu der Zeit war die Dresdner Frauenkirche im Wiederaufbau, wie aufregend.
- EU-Praktika: in Torino (Italien) und Cordaba (Spanien). Dresden war dann doch irgendwie zu klein, zu deutsch?, ich musste raus und machte innerhalb von 2 Jahren 2 Leonardo da Vinci- Eu-Praktika. Erst 3 Monate in Torino (Italien) und später 3 Monate in Cordoba (Spanien). Vor Ort machte das Sprachenlernen sehr viel Spaß. Ancora parlo un po d’italiano.
- 1999: das Jahr großer Veränderungen! In dem Jahr kam gerade Pedro Almodovars Film „Todo sobre mi madre“ in die Kinos. Ich MUSSTE nach Barcelona. Also fuhr ich am Ende meines Praktikums in Cordoba nach Barcelona. Innerhalb ein paar Tagen war klar: Hier will ich leben! Wie das Leben so spielt, ich lernte eine Künstlerin kennen, die mir ein WG-Zimmer bei sich anbot. Gracias Maria José!
- Tschüß Dresden…Hola Barcelona, Einfach mal dem Bauchgefühl folgen und es für 3 Monate ausprobieren. Und… daraus wurden 9 Jahre! Meine deutsche Handwerkskunst wurde sehr geschätzt und ich durfte an allem wofür Barcelona bekannt ist arbeiten und restaurieren. Gotische Brunnen und Kirchen, aber auch Gebäude von Gaudí.
- Aber ich will doch Künstlerin sein und freier arbeiten! Also erfüllte ich mir nach einiger Zeit auf Baustellen meinen langgehegten Herzenswunsch und began das Bildhauerei-Studium in der Escola Massana in Barcelona. Während die meisten Kommilitonen für die Umsetzung ihrer Projekte in den Künstlerbedarfsladen rannten, arbeitete ich viel mit gefundenen Materialien. Schon immer inspirierten mich die „missachteten“ Dinge und Materialien zu neuen Kreationen. Der Fakt, daß etwas seinen eigentlichen Zweck schon erfüllt hat und nun scheinbar wertlos geworden ist gibt mir die maximale Freiheit es zu transformieren.
- Als Bildhauerin an der Sagrada Familia. Der tollste „Job“ meines Lebens erwartete mich in der Sagrada Familia. Ein Jahr lang arbeitete ich dort in der Bildhauerwerkstatt und baute mit an diesem sakralen Jahrhundert-Bauwerk. Was gibt es Größeres für eine (Stein-)Bildhauerin als diese Kirche?! Auch als unreligiöser Mensch ist es etwas Ergreifendes an einem Gotteshaus mitzubauen.
- Erste bolsos entstehen Dank einem Freund (Gracias Monti!!) kamen erste Werbebanner zu mir, die unbedingt zu etwas neuem werden wollten. Also probierte ich mit der Nähmaschine herum und es wurden sogar Taschen draus. Meine allerersten echten Upcycling-Produkte waren Spanier, deshalb sind es seitdem bolsos. Das heist Taschen auf Spanisch.
- 2008, bolsos ziehen um, …nach Berlin. Tja, nach 9 Jahren, aufregendem Leben als EU-Ausländerin in Barcelona zog es mich dann (doch) wieder zurück nach Deutschland. Oh, ein wenig Angst vor dem „Zurück“ war schon dabei, also kam eigentlich nur Berlin infrage. Und wenn schon Berlin, dann Kreuzberg. Schön bunt, ein bisschen unordentlich, fast schon mediterran! Aber wovon wollte ich leben? Auf die Jobs als Steinmetz und in der Steinrestaurierung hatte ich ja schon länger keine Lust mehr. Aber um als Freie Bildhauerin meine Brötchen zu verdienen, dazu fehlte mir der „Mumm“ (und das Talent?)
- 26.03.2009, innerhalb von 2Wochen gründe ich meine Firma. Was? Taschen! Upcycling! Ja, es war schon ein Sprung ins kalte Wasser, aber deadlines sind meine Freunde! (ich hatte plötzlich nur sehr wenig Zeit zu überlegen, weil ich sonst keinen Gründungszuschuss bekommen hätte)… also habe ich es einfach gemacht. Welch gute Entscheidung!
- „Es war einmal in einer WG irgendwo in Berlin-Kreuzberg,…“ Ja, so war es wirklich. Kein großer (business-)Plan, aber eine Nähmaschine, und viel Spaß am Machen und Gestalten. Das erste Upcycling-Material bekam ich vom European Film Market, der Berlinale, und nun ging es richtig los! Einige zarte Kontakte zu Läden ergaben sich, aber der Direktverkauf auf Designmärkten machte mir am meisten Spaß!
- Mein erster „Laden“. Wieder durch eine Verkettung von vielen Kontakten fand mich das Gemeinschaftsatelier mit dem vielversprechenden Namen „Hope & Glory“. Welch eine inspirierende Gemeinschaft aus verschiedenen Künstlerinnen, Bühnenbildnerinnen und Designerinnen erwartete mich in Berlin-Neukölln! Vielen Dank Linn, Inge, Carito, Jenny, Hanna und viele andere für das kreative Miteinander. Linn Annen, Bijohly, Carito Maldonado, Bär von Pappe, Luminös Leuchten.
- Materialien kommen und gehen… Freundschaften bleiben. Wie das Leben ist Upcycling-Design ein sich ständig verwandelnder Prozess. Und das ist gut so. Natürlich war ich und bin ich immer neugierig auf neue Upcycling-Materialien, aber oft muss ich auch lernen, daß sich die Anfangsbegeisterung in ein „Hmm, dieses schöne Material eignet sich irgendwie doch nicht als Material für Taschen…“ verwandelt. So war es zum Beispiel mit der tollen Poolplane von Polly Paper . Sie rief mich an, ich fuhr hin. Ich lernte eine tolle Frau kennen, aber das Material ist zum Nähen irgendwie zu steif.
- Ich genieße die Freiheit und das Netzwerk von anderen Upcycling-Designern trägt. Ja, schon bald erweist sich meine Unternehmensgründung als „das Beste, was ich tun konnte“. Die Freiheit zu haben alles selbst zu entscheiden wie ich arbeiten möchte gehört für mich wie das Atmen zum Leben. Das Risiko zu scheitern ist natürlich inklusive. Aber so ist das Leben…ich genieße es. Aus „Müll“ Neues zu erschaffen ist und bleibt mein Motor. Ein Netzwerk aus vielen Fair Fashion Designern, Zero-Waste-Aktivisten und Upcycling-Designern entsteht. Die Herausforderung die erschaffenen Kreationen an die geneigte Kundschaft zu bringen begleitet mich natürlich auch permanent. Nun ja, die fehlenden Fähigkeiten muss ich mir aneignen. Man lernt nie aus!
- 2015 neue Türen öffnen sich: Frizz23. Es sind wieder die zufälligen (?) Kontakte die neue Wege aufzeigen. Durch Die Freundschaft zu deadline Architekten erfuhr ich vom Projekt der Gewerbebaugruppe Frizz23. Ich wurde Bauherrin und baute ein Haus zusammen mit ca.30 anderen Unternehmern aus der Kreativwirtschaft. Hierzu wird es (irgendwann) einen extra Blog-Beitrag geben.
- Der eigene Laden! Das Haus steht und bolsos berlin hat einen festen Standort, mitten in Berlin! An diesem Standort, in der Friedrichstrasse bin ich näher dran an meinen B2B-Kunden, das weckt Vertrauen, ich bin hier genau richtig. Auch wenn es bolsos berlin heute (2022) schon 13 Jahre gibt, …jetzt geht es erst recht nochmal richtig Los!
Vielen Dank liebe Kunden und Interessierte, daß Ihr mit mir die Begeisterung für Upcycling und einen nachhaltigen Lebensstil teilt. Lasst uns zusammen so weitermachen, es gibt noch viel zu tun!