Warum UPcycling und nicht REcycling?
Warum Upcycling und nicht nachwachsende, natürliche Rohstoffe verwenden?
Was ist gegen Leder einzuwenden?
Vegane Taschen?
Lokal handwerklich produziert versus Massenproduktion irgendwo in „Fernost“.
…und am Ende? Auch bloß Müll! Was ist mit der Entsorgung?
Tja, das sind eine Menge Fragen, die ich mir fast täglich stelle. Denn genau in diesen Fragen steckt vielleicht die Essenz von bolsos berlin: wir machen Taschen aus Upcycling-Materialien, in handwerklicher Produktion, mitten in Berlin. Deutschland. Europa.
Aber warum? Was ist an diesen Taschen anders, als an anderen?
Es ist uns wichtig, daß wir so wenig neues Material verwenden wie möglich. Und, daß wir gleichzeitig Müll vermeiden, die verwendeten Materialien also sparsam verwenden.
Wie geht das: „kein neues Material verwenden“? Wir benutzen Materialien, die eigentlich Müll wären. Die Werbebanner, meistens sind es bedruckte PVC-Planen, bekommen wir von Eventagenturen oder direkt von Firmen, Organisationen und Institutionen, welche diese Banner bei Veranstaltungen, Messeauftritten, Ausstellungen, als Außenwerbung oder bei Demonstrationen im Einsatz hatten. (Werbe-)Fahnen oder Bühnenrückwände sind auch oft nur sehr kurz im Einsatz. Viele Firmen und Organisationen lagern sie erst einmal ein um sie eventuell wieder zu benutzen, stellen dann aber fest, daß sie die Planen entsorgen wollen. Dann rufen sie mich an und ein weiterer „Lebenszyklus“ des Materials ist möglich.
Natürlich ist diese Art Materialbeschaffung sehr arbeitsintensiv. Die Kontakte müssen aufgebaut werden, gepflegt und intensiviert werden. Das Netzwerk an nachhaltig agierenden Firmen und Institutionen wächst langsam aber sicher. Dann die Logistik: wie kommen die Materialien von A (wie Abgebenden) zu B (wie bolsos berlin)? Im Bestfall können wir innerhalb Berlins (Kreuzberg, Mitte…) den Transport per Lastenfahrrad machen. Das passiert erstaunlich oft! Ansonsten kommt das 3rädrige TuckTuck (Piaggio Ape) zum Einsatz. Oder ein Paketdienst wird beauftragt. Das funktioniert natürlich auch überregional. (Foto)
Warum Upcycling und nicht Recycling?
Beim Upcycling geht es um die direkte Wiederverwertung von Materialien. Sie werden umgestaltet, neu gedacht und transformiert (umgeformt). Diese Transformation ist eine kreative, individuelle und handwerkliche Bearbeitung. Das ist das, was wir hier bei bolsos berlin machen. Der Designprozess wird durch die vorhandenen Upcycling-Materialien inspiriert. Wie das genau geht, ließt du hier in diesem Blogbeitrag.
Recycling ist eher ein mechanischer und chemischer Prozess. Beim Recycling von PET werden z.B. sortenrein gesammelte PET-Flaschen geschreddert und aus den „PET-Schnipseln“ nach dem Einschmelzen wieder neue PET-Flaschen gemacht. Beim Glasrecycling ist es genauso: da werden aus „Scherben-Glas“ wieder neue Glasflaschen gegossen. Wenn aus Flaschen wieder Flaschen werden, dann ist es Recycling (Re= Wieder). Bei Up-Cycling ist Up, also „hoch-Cycling“ gemeint. Beim kreativen Upcycling-Prozess wird etwas Höherwertiges draus. Ob nun ein Rucksack aus Segel höherwertiger ist als ein Segel, darüber lässt sich streiten. Aber wenn dieses Segel nicht mehr als Segel funktioniert, es also für den Segler wertlos geworden ist, dann ist die Umgestaltung zu einem Rucksack ein echtes Upgrade, eine Aufwertung.
Warum Upcycling und nicht nachwachsende, natürliche Rohstoffe verwenden?
Wir verwenden Upcycling-Materialien weil sie schon da sind. Sie müssen nicht extra hergestellt werden. Das heißt: es müssen keine natürlichen Ressourcen (z.B. Erdöl) gefördert, raffiniert, verarbeitet, transportiert und gehandelt werden. Mit natürlichen und nachwachsenden Materialien sind selbstverständlich keine sogenannten Kunststoffe gemeint. Wenn von nachwachsenden Rohstoffen die Rede ist, meint man in der Modewelt oft Baumwolle, Bambus, Holz, Leinen, Viskose, Naturkautschuk, Naturlatex oder Kork. Auch tierische Stoffe wie Leder, Wolle, Seide oder Felle (Pelze) gehören dazu.
Bei den Materialien aus denen unsere Kleidung gemacht ist bevorzuge ich auf jeden Fall Naturmaterialien, wenn möglich Bio und nicht tierischen Ursprungs. Aber uns muss klar sein, daß diese Materialien, -meistens geht es zuerst einmal um Fasern,- einen sehr langen Produktionsweg hinter sich haben, ehe wir sie als Kleidungsstücke, oder als Accessoires benutzen können.
Anbau
Der Anbau der Pflanzen braucht Flächen, Bewässerung und Arbeitskraft. Wird diese fair bezahlt? In welchen Gegenden der Welt wachsen welche Pflanzen? Ist Bioanbau unter fairen Arbeitsbedingungen möglich? Mit wieviel Pestizid- und Düngemitteleinsatz werden diese Fasern erzeugt? Bei Materialien tierischen Ursprungs müssen wir uns fragen: wie geht/ging es den Tieren? Leben die Tiere weiter? (Wolle, Alpaka, Kaschmir, Angora…) oder sterben die Tiere für unsere Kleidung? (Leder, Felle, Pelze, Seide…). Was fressen die Tiere um „zu produzieren“? Brauchen sie Futter, welches eigentlich besser auf menschlichen Tellern hätte landen sollen? (Soja aus Südamerika z.B.).
Produktion
Nach der Produktion der Fasern werden sie weiterverarbeitet, sie werden gesponnen, gewebt oder verstrickt, gefärbt, bedruckt usw. Dann sind sie als Stoffe auf dem Markt und werden „konfektioniert“, das heißt meistens vernäht. Das passiert in kleinen bis größeren Textilfabriken in Ländern, wo die Löhne nicht hoch sind. Was wir gerne vergessen, oder verdrängen: es sind Menschen die unsere Kleidung nähen. Ja, es sind Fabriken, dort sitzen Menschen an Nähmaschinen, die für einen Lohn, der meist nicht zum Leben reicht oft 12 Stunden an 6 Tagen die Woche nähen. (ich könnte mich in Rage schreiben….vielleicht später…in einem anderen Beitrag).
Ein großer Faktor in dieser globalen Lieferketten-Thematik sind die Transportwege. Wir alle wissen, daß jeder zurückgelegte Kilometer, oder jede Seemeile Energie kostet (=Co2).
Nachwachsende Rohstoffe sind also erstmal eine gute Idee, aber im globalen Kontext loht es sich etwas genauer hinzuschauen.
Für mehr Information, ließ gerne hier bei saubere-kleidung.de/textile-wertschoepfungskette weiter. Quelle: https://saubere-kleidung.de/
Was ist gegen Leder einzuwenden?
Das Thema kam schon im vorigen Absatz zur Sprache: Leder sind Tierhäute. Die Tiere sterben dafür. Vielleicht sind die Tiere auch wegen ihres Fleisches gestorben und das Leder wird „auch“ verwendet. Aber fest steht: Für Leder braucht es Tiere, die fressen müssen, Platz und eine würdige Behandlung verdient haben.
Ich gebe zu: Ich mag Leder als ein langlebiges Material mit viel Tradition. In allen Kulturen wurden immer nützliche Dinge aus Leder hergestellt. Die handwerkliche, lokale Verarbeitung von Leder macht Sinn und schöne langlebige Produkte. Bei guter Verarbeitung kann eine Ledertasche ein (Menschen-)Leben lang halten. Das ist nachhaltig. Wir bei bolsos berlin arbeiten nicht mit Leder. Reparaturen machen wir gerne, wenn es uns möglich ist (Langlebigkeit ist Nachhaltigkeit!). Es gibt auch Upcycling von Leder. Eine Bekannte fertigt Taschen aus alten Ledersofas! So cool: Meyburgtaschen
Vegane Taschen?
Ja, bolsos berlin arbeitet ohne tierische Materialien. Nicht, weil wir hier alle Veganer sind (sind wir nämlich nicht), aber weil wir eben auf Upcycling-Materialien nicht-tierischen Ursprungs spezialisiert sind. Das kommt einfach daher, daß die Materialien die wir benutzen in großen Mengen verfügbar sind. Und das sind nunmal meistens Kunst-Stoffe. Vinyle, Planen, Fahnenstoffe, Nylongewirke, Polyestergewebe etc. Auch die Gurte und Verschlüsse (zugekaufte Neuware) sind tierfrei. bolsos berlin sind also vegane Taschen.
Lokal handwerklich produziert versus Massenproduktion irgendwo in „Fernost“.
Auch dieses Thema klang schon in vorigen Absätzen an. Wir arbeiten in Berlin handwerklich unter fairen Bedingungen. Was heißt das? Vor allem heißt das, daß jeder Produktionsschritt hier vorort getan wird und nicht „ausgelagert“ wird. Ein kleines Team arbeitet hier: gestaltet, entwickelt, schneidet zu, bereitet das Nähen vor, näht und bringt Verschlüsse an. Und das alles geschiet während familienfreundlicher Arbeitszeiten mit fairer Bezahlung. „Faire Bezahlung, in Berlin, ok., finde ich gut! “ sagen viele. Aber trotzdem wundern sich dann aber auch viele Menschen darüber, „warum die Sachen so teuer“ sind.
Die Antwort steht da oben: Der Preis ist der Preis für lokal, in Berlin, Deutschland unter fairen Bedingungen produzierte Dinge. Die Preise, an die wir im alltäglichen Leben als Menschen der westlichen Welt gewöhnt sind, sind nicht die wahren Preise. Es sind ausbeuterische Preise. Ausbeuterisch an Menschen und der Umwelt, an unserem Planeten. Besonders Produkte unseres täglichen Lebens wie z.B. Kleidung, Accessoires, Spielzeug, Werkzeug und Möbel werden heutzutage in sogenannten „Billiglohnländern“ hergestellt. Wir sind an Preise gewöhnt, die mit den Lohnkosten in fernen (ärmeren) Ländern dieser Welt zu tun haben. Von Steuern, Versicherungen, Mieten und sonstigen Kosten will ich garnicht anfangen. Ich möchte auch nicht jammern!!
Es geht mir auch nicht darum jemandem ein schlechtes Gewissen zu machen, ich schaffe es auch nicht und kann es mir auch nicht leisten alles Bio, Fair und Lokal einzukaufen. Aber ein gewisses Bewusstsein über den Wert und die Herkunft der Dinge und Lebensmittel sollten wir uns antrainieren, das finde ich schon. Das gehört eben auch zu einem nachhaltigen Lebensstil dazu.
…und am Ende? Auch bloß Müll! Was ist mit der Entsorgung?
Klar, jedes Produkt kommt irgendwann ans Ende seiner Nutzungsdauer. Vielleicht kann es repariert werden? Ausgebessert, umgearbeitet oder verändert werden? Wenn nicht, auch wenn es schon durch viele „2nd-Hände“ gegangen ist, dann sind natürlich auch Upcyclingprodukte irgendwann Müll. Dann sind unsere Taschen, weil sie aus Kunststoffen bestehen, auch leider nicht kompostierbar, das wäre toll. Da wir die meisten Materialien vernähen kann man Nähte auftrennen und die Einzelteile dann getrennt entsorgen und im Bestfall recyceln. Klar, den Recycling-Puristen ist das sicher nicht perfekt genug, aber man kann es ja versuchen.
Wenn Du bis hierhin gelesen hast, dann ist hoffentlich unsere Begeisterung für’s Upcycling auf dich übergesprungen. Wenn nicht…auch gut. Was aber auch klar geworden ist (mir beim Schreiben jedenfalls): Upcycling ist auch nur ein Beitrag zum Großen Ganzen. Es ist die Verlängerung der Nutzungsdauer (Lifecycle) von Ressourcen und Materialien. Es spart gleichzeitig Ressourcen ein und somit auch Müll.
Auch ein Verzicht, die Reduktion von Konsum im Allgemeinen spart Ressourcen, Emissionen und Ausbeutung an Natur und Menschen, klar. Aber manche Dinge braucht man eben doch zu einem (guten) Leben und das könnten vielleicht in Zukunft dann Dinge sein, die als „nachhaltig“ bezeichnet werden. Wie zum Beispiel Taschen aus Upcycling-Materialien?!
Falls hier im Artikel ein paar Begriffe aufgetaucht sind, die neu für dich waren, dann schau gerne in unserem „Glossar“ danach.
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